Die Personalsituation an den Berliner Schulen ist angespannt.
An vielen Schulen besteht Sorge, dass zum Beginn des nächsten Schuljahres nicht genügend Lehrkräfte an Bord sein werden und dass sich in den Folgejahren dieses Problem ausweiten wird.
Die Berliner Bildungsverwaltung hat in den letzten Jahren viele Ideen entwickelt, Lehrkräfte für Berlin zu gewinnen. Das wird von der VOB ausdrücklich anerkannt und unterstützt.
Dazu gehören:
- Rechtzeitig erteilte Einstellungsgarantien für die in Mangelfächern kurz vor dem Abschluss des Staatsexamens stehenden Lehramtsanwärter
- Einstellungsvorschläge aus den Schulen werden nicht mehr abgeblockt, sondern i.d.R. umgesetzt – ohne erst durch aufwendige Prüfverfahren die Gefahr einzugehen, dass die zur Einstellung vorgeschlagene Lehrkraft nicht mehr zur Verfügung steht, wenn das Prüfverfahren abgeschlossen ist.
- Angebote an für die weiterführenden Schulen ausgebildete Lehrkräfte, die an diesen nicht benötigt werden, für eine Einstellung an Berliner Grundschulen
- Werbung, um Quereinsteiger insbesondere in den Mangelfächern für eine Bewerbung für den Berliner Schuldienst zu begeistern
- Werbung für freiwillige Umsetzungen von Lehrkräften weiterführender Schulen an Berliner Grundschulen
- Werbung für den Berliner Schuldienst in anderen Bundesländern und im europäischen Ausland
- Reaktivierung der „Lehrer unterer Klassen (LuKs) aus der ehemaligen DDR“, denen man bisher Erzieherstellen aber keine Stelle als Lehrkraft angeboten hat, für die Berliner Grundschulen Ich habe erstmals in 25 Jahren der Tätigkeit als Schulleiter bei der Verteilung der Lehramtsanwärter (LAA), die nun ein Einstellungsangebot erhalten haben, bemerkt, dass 2016 selbst LAA mit „Allweltskombinationen“ nicht mehr im Überhang zur Verfügung stehen.
Doch das alles reicht nicht aus. Folgendes Beispiel belegt diese nüchternde Einschätzung: Vor einigen Wochen hat die Berliner Bildungsverwaltung rund 880 Bewerbern eine Angebot für einen Vorbereitungsdienst an weiterführenden Schulen übersandt. Aus diesem Kreis sind jetzt nur rund 650 LAA verteilt worden. Das gibt einen Hinweis auf die angebliche Attraktivität Berlins. Diese reicht offensichtlich noch nicht einmal mehr aus, um die Absolventen der Universitäten zur einer Aufnahme eines Vorbereitungsdienstes in Berlin zu bewegen – und das, obwohl weitestgehend eine Garantie zur Möglichkeit eines sofortigen Beginns eines Vorbereitungsdienstes allen Bewerbern signalisiert wird. Zu befürchten ist, dass noch nicht einmal die 650 verteilten LAA am Schuljahresbeginn in Berlin ihren Vorbereitsungsdienst aufnehmen werden. Damit bildet Berlin dann unter dem eigenen Bedarf aus.
Es waren in der jetzigen Einstellungsrunde übrigens unter den 880 angeschriebenen Bewerbern nur rund 2% mit der Fakultas Ch und nur rund 3% mit der Fakultas Ph, in absoluten Zahlen etwas mehr als 50 mit Chemie oder Physik als Fach. Falls in Berlin in einem halben Jahr wieder die gleiche Einstellungssituation bei den Einstellungen für den Vorbereitungsdienst bestehen sollte und wenn es Berlin schaffen würde, wirklich jeden der im Sommer 2016 und zum Februar 2017 eingestellten Lehramtsanwärter mit Physik oder mit Chemie am Ende des Vorbereitungsdienstes auch in Berlin zu halten (was sicher nicht geschehen wird), dann könnten bei Verwirklichung dieser vielen positiven Annahmen zum Schuljahr 18/19 rund 100 Lehrkräfte mit Ph oder mit Ch, die in Berlin ausgebildet worden sind, eingestellt werden. Der Bedarf, das zeigt eines VOB-interne Prognose von 2011, ist aber ein Vielfaches von diesen 100.
Wenn die Berliner Landespolitik nicht endlich die Realitäten anerkennt und grundsätzlich andere Entscheidungen trifft, dann wird in Berlin in wenigen Jahren ein nicht mehr zu bewältigender Notstand an ausgebildeten Lehrkräften bestehen. „Die Zeit“ berichtet am Wochenende davon, dass Berlin bis 2023 rund 16.000 neue Lehrkräfte benötigt. Wenn Berlin nicht umsteuert und neue Wege entdeckt und alte Wege reaktiviert, um attraktiv zu werden, dann wird, so die Prognose der VOB, dieses Ziel nicht erreichbar sein. Wenn Berlin nicht bald akzeptiert, dass es einen Wettstreit der Bundesländer um den Lehrernachwuchs gibt, dann ist bald „Ende mit Gelände“. Die Teiche, in die Berlin in den letzten Jahren Netze geschmissen hat, um Lehrkräfte zu gewinnen, sind bald leergefischt. Da kann auch eine noch so erfindungsreiche Schulverwaltung keinen „reichen Fang“ mehr organisieren. Die Berliner Landespolitik ist gefragt! Es gilt Realitäten anzuerkennen, dabei nicht dogmatischen Entscheidungen eines gewesenen Regierenden Bürgermeisters anzuhängen und „weitere Teiche“ zu entdecken.
Die VOB schlägt vor:
- Rückkehr zur Verbeamtung mindestens für alle Bewerber mit Mangelfächern, auch rückwirkend!
- Hochschulverträge so ändern, dass eine Steuerung der Studiengänge bei Lehramtsstudierenden erfolgt! Die Kapazitäten der Universitäten müssen sich nach den Bedarfen richten!
- Sonderzahlungen für Lehramtsanwärter, die sich vorab für die Zeit nach dem Staatsexamen für mindestens fünf Jahre an das Berliner Schulwesen binden!
- Festsetzung von Maßnahmen zur Qualifikation von Menschen, die sich ohne die Absolvierung eines Lehramtsstudiums entschieden haben, für das Berliner Schulwesen an den Berliner Schulen arbeiten zu wollen!
- Regelmäßige Veröffentlichung von Zahlen, die den Bedarf an Lehrkräften in den Mangelfächern für einen Fünf- und einen Zehnjahreszeitraum dokumentieren, und jährliche Veröffentlichung der Zahlen, wie viele Lehramtsstudierende an den Berliner Universitäten in diesen Fächern in das Masterstudium eintreten
- Stipendien für besonders geeignete Berliner Abiturienten, die in Berlin ein Lehramtsstudium insbesondere in den MINT-Fächern aufnehmen wollen und sich nach Abschluss des Lehramtsstudiums zu einem Vorbereitungsdienst in Berlin verpflichten
- Möglichkeit einer unkomplizierten Umwandlung eines Vorbereitungsdienstes in einen berufbegleitenden Vorbereitungsdienst, wenn der Lehramtsanwärter und die ausbildende Schule dieses wünschen